Im Schuhladen.

Ein Mann, Typ „Lehrer, Grünenwähler, Müslifrühstücker“ und seine Frau, beide um die 30, kaufen Schuhe. Für ihn.

Frau:
Schau mal die hier, Schatz, die sind schön.

Er schaut kurz.

Mann:
Hmm. Nee.

Sie sucht weiter, er „sucht“ an anderer Stelle.

Frau:
Was ist mit denen hier?

Er schaut kurz.

Mann:
Hmm. Nee.

Frau:
Schau doch mal richtig.

Er schaut minimal länger.

Mann:
Hmm. Nee.

Frau:
Aber was willst du denn dann?

Mann:
Hmm.

Frau:
Hast du irgendeine Idee, was dir gefällt?

Mann:
Nee.

Frau:
Dann schau doch auch mal selber.

Mann:
Mach ich ja.

Sie suchen beide, an verschiedenen Stellen.

Frau:
Was ist mit denen?

Er schaut kurz.

Mann:
Hmm. Hmm. Nee.

Sie suchen weiter.

Frau:
Schatz, schau mal, was ist mit —

Mann:
Ich will die hier.

Sie ist ein bisschen entgeistert.

Frau:
Nein, Schatz, räum die weg.

Sie sucht eilig weiter.

Mann:
(zunehmend sicher) Ich will die hier.

Frau:
Sei nicht albern, Schatz. (etwas hastig) Was ist denn mit denen?

Mann:
Ich will die hier.

Frau:
(zunehmend nervös) Nein, nein, nein. Nimm doch die hier! Oder die! Die sind doch auch schön! Und schau doch mal die hier!

Mann:
Nee. Ich will die hier.

Frau:
Schatz, das geht nicht.

Mann:
Wieso?

Frau:
(final) Schatz, das sind Crocs.

Mann:
Aha.

Frau:
Räum sie weg.

Mann:
Wieso?

Frau:
(sehr geduldig) Das sind Crohocs.

Mann:
Aha. Ja.

Frau:
Das trägst du nicht. Nicht solange wir zusammen sind.

Mann:
Aha. Ich will die aber.

Frau:
Warum?

Mann:
Sehen bequem aus.

Die Frau verliert die Beherrschung. Sie wirkt wie eine Maus, die wiederholt mit einer Gabel gepiekst wird, dann zunehmend hysterisch.

Frau:
Wirklich? Ja? Die willst du? Die? Hier gibt es Budapester, Converse, Leinenschuhe, Lederschuhe, Sneaker und und und … und die wären alle in Ordnung, aber du willst Crocs? Und warum? Weil sie „bequem“ aussehen? Ja? Schatz, eine Frage: Hast du ein Boot?

Mann:
Wieso — 

Frau:
Beantworte die Frage! Hast du ein Boot?

Mann:
Nein.

Frau:
Genau. Richtig. Du hast kein Boot. Du brauchst also keine rutsch- und wasserfesten Schuhe. Und unglaublichen Fußschweiß hast du auch nicht. Brauchst du also Atemlöcher in deinen Schuhen? Schatz?

Mann:
Ähm —

Frau:
Die Antwort ist NEIN, brauchst du nicht. Oder bist du Chirurg, und musst den ganzen Tag am OP-Tisch stehen? Auch NEIN. Oder willst du diese Löcher vielleicht mit Schmucksteinen dekorieren und auf der Höhe der „Mode“ sein?

Der Mann inspiziert die Löcher der Crocs und stellt sich die Schmucksteine vor.

Weißt du, wie man die Schmucksteine nennt, Schatz? „Jibbitz“! Willst du Schuhe tragen, die man mit „Jibbitz“ dekorieren kann? Willst du das? Und mir dann noch in die Augen sehen? 

Er ist weiter abgelenkt.

Schatz, du bist Anfang 30 und Lehrer. Waren die Birkenstock-Sandalen nicht schon genug?

Mann:
Wo sind die eigentlich hinge—

Frau:
Ich habe sie verbrannt, Schatz. Verbrannt und die Asche vergraben. Im Vorgarten! Und ich habe geweint vor Glück! Endlich, hab ich gedacht, jetzt muss er ein Paar vernünftige Schuhe kaufen. Nur ein einziges Paar. Damit er morgens aus dem Haus geht und ich ihm hinterher sehe und denken kann: Da geht mein Mann, er geht Geld verdienen, für uns, und er trägt ein T-Shirt, das noch seine Mutti gekauft hat, und diese Jeans, die haben irgendwie die 90er überlebt, aber egal, wenigstens die Schuhe, da hast du was geleistet, wenigstens anständige Schuhe hat er jetzt an. Und jetzt… Wirklich, Crocs? Willst du jeden Morgen vor deine Klasse treten, mit Schuhen, die aussagen: „Wenn ich diese Schuhe ohne einen triftigen orthopädischen Grund — den es nicht gibt. Es gibt ihn einfach nicht! — trage, dann habe ich entweder keinen Selbstrespekt oder keine Ahnung.“ Willst du das wirklich? Willst du dich zum Spott aller vernünftigen Menschen machen?

Mann:
(murmelt) … sehen bequem aus.

Frau:
(endgültig hysterisch) Wir wollten doch Kinder zusammen haben, Schatz! Wir haben darüber gesprochen! Wir waren auf dem Weg dahin! Es läuft doch gerade alles so gut! Wir haben die Hypothek fast abbezahlt! Seit zwei Jahren riestern wir, verdammt noch mal! Das alles setzt du gerade aufs Spiel! Das alles! Unsere Beziehung wird nie mehr sein wie vorher! Unser Leben wird sich ändern! Unsere Position in der Gesellschaft! Denk doch auch mal an mich! Wie sich das auf mich auswirkt!

Die Frau bricht auf dem Boden zusammen.

(schluchzt) Ich hätte auf meine Mutter hören sollen, die hatte recht. „Dieser Mann kann dich nicht glücklich machen, Spätzchen. Warte auf einen anderen.“ Ich hätte es wissen müssen… (weint)

Unangenehme Pause.

Mann:
Also ich nehm’ die jetzt.

Dunkel.